Was ist die beste Kreuzbandoperationstechnik?

Bei einem Riss im vorderen Kreuzband werden meistens zwei verschiedene Techniken angewendet: Hamstring-Sehnen-Transplantate und Knochen-Patellasehnen-Transplantate. In diesem Blogbeitrag schauen wir uns die Vor- und Nachteile beider Methoden an und was das für die Physiotherapie bedeutet.

Re-Ruptur-Rate beim vorderen Kreuzband

Die Re-Ruptur-Rate beim vorderen Kreuzband (nach primärer Rekonstruktion) liegt typischerweise im Bereich von 3% bis 19% innerhalb der ersten 2 bis 5 Jahre, abhängig von Patientenkollektiv, Alter, Aktivitätsniveau und verwendeter Transplantatart. In Studien mit überwiegend jungen, sportlich aktiven Patienten werden Raten von etwa 4% für Knochen-Patellarsehnen-Transplantate und bis zu 19% für Hamstring-Sehnentransplantate berichtet.

 

Risikofaktoren auf Re-Ruptur vorderen Kreuzbandes

Patientengruppen mit einem besonders hohen Risiko für eine Re-Ruptur des vorderen Kreuzbandes nach primärer Rekonstruktion sind vor allem:

1. Junge Patienten (<20–25 Jahre)

Das Risiko ist in dieser Altersgruppe deutlich erhöht, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Mehrere Studien zeigen, dass das Re-Ruptur-Risiko bei Patienten unter 21 Jahren bis zu siebenfach höher ist als bei älteren Patienten!

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Interessante Statistiken zu erneuten Re-Rupturen vorderen Kreuzband

2. Sportlich sehr aktive Patienten

Ein hohes Aktivitätsniveau, insbesondere die Rückkehr zu Pivot-Sportarten (z. B. Fussball, Basketball), ist ein starker Risikofaktor. Junge Athleten, die nach der Rekonstruktion wieder in den Wettkampfsport zurückkehren, haben eine Re-Ruptur-Rate von bis zu 23%.

3. Geschlecht

Frauen zeigen ein erhöhtes Risiko für eine erneute Ruptur im Vergleich zu Männern.

Die aktuelle Evidenz zeigt eindeutig, dass Frauen, insbesondere weibliche Athletinnen, ein deutlich höheres Risiko für eine vordere Kreuzbandruptur haben als Männer. Das Risiko ist bei Frauen je nach Sportart und Altersgruppe etwa 1,5- bis 8-fach erhöht.

Die erhöhte Gefährdung bei Frauen wird durch eine Vielzahl von Faktoren erklärt, darunter anatomische Unterschiede, hormonelle Einflüsse, Unterschiede in der neuromuskulären Kontrolle und biomechanische Bewegungsmuster (z.B. vermehrte Valgusstellung beim Landen). Besonders in Sportarten mit schnellen Richtungswechseln und Sprüngen wie Fussball, Basketball und Volleyball ist das Risiko für Frauen am höchsten.

4. Graft-Typ

Die Wahl des Transplantats ist entscheidend: Hamstring-Sehnentransplantate (HT) weisen ein signifikant höheres Re-Ruptur-Risiko auf als Knochen-Patellarsehnen-Transplantate. In einer grossen Studien im „Breitensport“ (2-3x Sport/Woche) lag die Re-Ruptur-Rate nach 5 Jahren bei HT-Autografts bei 19,7%, während sie bei Knochen-Patellarsehnen-Transplantate mit Schraubenfixation nur 4,3% betrug.

 

5. Familienanamnese

Eine positive Familienanamnese für Kreuzbandverletzungen erhöht das Risiko für eine erneute Ruptur.

6. Frühe Operation

(<12 Monate nach Verletzung) und hoher präoperativer Aktivitätslevel sind weitere unabhängige Risikofaktoren.

 

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Kreuzbandoperationstechnik und die Folgen für die Physiotherapie

Die Wahl zwischen Hamstring-Sehnentransplantaten und Knochen-Patellarsehnen-Transplantaten, bei der vorderen Kreuzbandrekonstruktion, hat direkte Auswirkungen auf die Rehabilitation, insbesondere hinsichtlich Muskelkraft, Funktion und Komplikationsprofil.

Hamstring-Sehnentransplantate

Führen zu einer anhaltenden Schwäche der Kniebeugung (Flexion), die auch nach 18 Jahren noch messbar ist, während die Quadricepskraft weniger beeinträchtigt ist. Die Patienten zeigen weniger vordere Knieschmerzen und weniger Beschwerden beim Knien, was die Rehabilitation in Bezug auf Alltagsaktivitäten erleichtert. Allerdings bleibt die Hamstringkraft im operierten Bein oft dauerhaft reduziert, was bei der Trainingsplanung berücksichtigt werden muss.

 

Knochen-Patellarsehnen-Transplantate

Sind mit einer stärkeren Beeinträchtigung der Quadricepskraft in den ersten 12 Monaten nach der Operation verbunden, die sich aber bis zum 24. Monat weitgehend angleicht. Patienten mit Knochen-Patellarsehnen-Transplantate haben ein erhöhtes Risiko für vordere Knieschmerzen und Schmerzen beim Knien, was die Rehabilitation insbesondere bei Tätigkeiten mit hoher Belastung des vorderen Kniebereichs erschwert. Die Integration des Transplantats in den Knochen ist nach etwa 5 Monaten abgeschlossen, was für die Belastungssteigerung im Rehabilitationsverlauf relevant ist.

 

Die funktionellen Ergebnisse und die Rückkehr zum Sport sind langfristig bei beiden Transplantattypen vergleichbar, wobei die Wahl des Transplantats individuell nach Patientenprofil und funktionellen Anforderungen erfolgen sollte. Die Art des Rehabilitationsprotokolls (standardisiert vs. beschleunigt) hat laut aktueller Literatur keinen signifikanten Einfluss auf die Wiederherstellung der Muskelkraft oder die funktionellen Testergebnisse, unabhängig vom verwendeten Transplantat.

 

Zusammenfassend bedeutet die Wahl des Transplantats für die Rehabilitation:

Hamstring-Sehnentransplantat

Fokus auf Wiederherstellung der Beugekraft, weniger vordere Knieschmerzen, aber potenziell dauerhafte Flexionsschwäche.

Knochen-Patellarsehnen-Transplantat

Fokus auf Quadriceps kräftigung, erhöhte Aufmerksamkeit für vordere Knieschmerzen und Belastung beim Knien, schnellere knöcherne Integration.

 

  

Welche Patientengruppen profitieren besonders von Hamstring-vs-Patellarsehnentransplantaten?

Hamstring-Sehnentransplantate

Sind besonders vorteilhaft für Patientengruppen, die ein erhöhtes Risiko für vordere Knieschmerzen, Schmerzen beim Knien oder eine hohe Belastung des vorderen Kniebereichs haben, wie z.B. Personen, die häufig knien müssen (Handwerker, Gärtner) oder für Patienten mit bereits bestehenden patellofemoralen Beschwerden. Sie sind auch geeignet für Patienten, die eine schnellere Rehabilitation ohne relevante Einschränkung der Kniestreckung wünschen und für ältere, weniger sportlich aktive Patienten, bei denen die etwas höhere Re-Rupturrate klinisch weniger relevant ist. Die langfristige Flexionskraft bleibt jedoch im operierten Bein reduziert, was bei sportlich sehr aktiven Patienten mit hohen Anforderungen an die Beugekraft zu berücksichtigen ist.

 

Knochen-Patellarsehnen-Transplantate

Sind besonders geeignet für junge, leistungsorientierte Sportler (insbesondere im Alter von 14–25 Jahren), die eine maximale Stabilität und eine möglichst niedrige Re-Rupturrate benötigen, z.B. bei Kontaktsportarten oder bei Patienten mit generalisierter Gelenkhypermobilität. Diese Gruppe profitiert von der geringeren Rate an Transplantatversagen und der besseren anteroposterioren und rotatorischen Stabilität im Kurzzeitverlauf. Allerdings ist das Risiko für vordere Knieschmerzen, Schmerzen beim Knien und Streckdefizite erhöht, was die Rehabilitation erschweren kann.

Beide Transplantattypen zeigen vergleichbare funktionelle Langzeitergebnisse und Rückkehr zum Sport, wobei die Wahl individuell nach Patientenprofil, sportlicher Aktivität, Komplikationsrisiko und funktionellen Anforderungen erfolgen sollte.

 

Quelle: https://www.openevidence.com

 

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Autor: Pieter Keulen
Kategorie:
Fitness
Physiotherapie
Medizin

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